Dass Buß- und Bettag ist, merken die meisten daran, wenn die Kinder mitten in der Woche schulfrei haben. Dieser kirchliche Feiertag wurde 1995 zugunsten der Pflegeversicherung abgeschafft. Aber wirklich weg ist dieser Tag auch nach 26 Jahren nicht. Auch wenn es ein evangelischer Feiertag ist, so wäre es eigentlich für alle Menschen eine Chance, einmal mitten im Alltag innezuhalten und über ihr Leben nachzudenken.
Der Name Buß- und Bettag mag etwas altmodisch klingen – die Bedeutung ist doch sehr aktuell: Wer eine Reise in eine unbekannte Gegend macht, muss immer einmal einen Stopp einlegen, um sich zu vergewissern, ob er noch auf der richtigen Spur ist. Und so dürfen wir auch mitten im Alltag ganz bewusst anhalten und uns fragen: Wo liegen die dunklen Seiten in meinem Leben, über die ich eigentlich nachdenken sollte? Wer sind denn die Leute, die ich überhaupt nicht mag, aber gestehe mir das nicht ein? Wo muss ich in meinem alltäglichen Leben den Schalter umlegen, damit es wieder gut wird? Und wie ist es mit konkretem Vergeben und Verzeihen?
Solche Fragen helfen dabei, über sich selbst klar zu werden – an einem Tag, an dem man über sich selber nachdenken darf. So könnte man möglicherweise sein Leben oder den derzeitigen Lebensweg ändern, die Richtung nachjustieren. Ich könnte mir auch die Zeit nehmen, nach Gottes Relevanz für mein eigenes Leben fragen. Denn Buße heißt ja nichts anderes als umkehren, zu Gott umkehren und nach seinem Willen zu fragen. Und ich könnte vielleicht toleranter und nachsichtiger umgehen mit mir selbst und den Menschen, die ich nicht so mag. Vielleicht weil sie eine andere Meinung vertreten als ich selbst. Der Buß- und Bettag kann mir dazu helfen, bewusster zuzuhören und weniger zu verurteilen.
Was es dazu braucht? Sich Zeit oder einen Raum des Schweigens gönnen, gute Musik, vielleicht den einen oder anderen Gedankenanstoß. Oder einen guten Impuls aus dem Gottesdienst am Buß- und Bettag mitnehmen. Zum Beispiel aus dem ökumenischen Gottesdienst um 19 Uhr in der Neumarkter Hofkirche. So könnte der fast schon verschwundene Feiertag allen Menschen guttun.
Stv. Dekan Martin Hermann