„Ich glaube nur, was ich sehe!“ – Staunend stelle ich immer wieder fest, dass an diesem Satz schon irgendwie etwas dran ist. Ich denke zum Beispiel an Bitcoins, also das Kryptogeld, das nur im Internet existiert und prinzipiell unsichtbar ist. Gibt’s das wirklich oder ist das alles nur eine Phantasievorstellung von ein paar Computerfreaks? Wenn es nicht so viel Strom verbrauchen würde und nicht gar so teuer wäre, könnte theoretisch jeder zuhause mit seinem eigenen Computer eine virtuelle Währung herstellen.
Ungläubig habe ich gestaunt, als es im März hieß: Der Kurs der Bitcoin-Währung ist sprunghaft angestiegen, weil Tesla-Chef Elon Musk sagte, die Kunden könnten ihr Elektroauto jetzt auch mit Bitcoins bezahlen. Als Musk dann jedoch im Mai bekannt gab, sein Unternehmen würde nun doch keine Bitcoins mehr akzeptieren, stürzte der Bitcoin-Kurs wieder ab. Unglaublich, an was die Leute alles glauben, wenn es um‘s Geld geht – selbst wenn sie es gar nicht sehen können.
Inmitten meiner laienhaften Gedanken über Bitcoins und deren virtuellen oder realen Wert habe ich den Geldbeutel aus der Tasche gezogen, die paar Münzen drin klimpern lassen und mir gesagt: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Mit den paar Euro- und Cent-Münzen auf der Hand kaufe ich mir in der Eisdiele einen Erdbeerbecher und setze mich auf dem Rand des Brunnens neben dem Rathaus in die Sonne. Ein Genuss.
„Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“, sollte nach Jesu Worten der Kern von jeglichem menschlichen Streben sein. Ich glaube tatsächlich, dass Jesus damit Recht hat. Solange es aber nur Worte in einem alten Buch oder in den Köpfen von Menschen sind, sind sie unsichtbar und virtuell wie Bitcoins. Sie müssen erst sichtbar und spürbar werden wie die Münzen, die ich in der Eisdiele für mein Eis auf den Tresen lege. „Ich glaube nur, was ich sehe!“ – Was glauben Sie?
Pfarrer Michael Murner