Impuls für den Alltag zum Reformationstag 2023

Dekanin Christiane Murner macht sich Gedanken zum Reformationstag am 31. Oktober.

„Darf ich auch bei dir vorbeikommen und läuten?“ strahlt mich unsere 9-jährige Nachbarstochter an. „Ich lege dir was Leckeres hinter die Gartentür“, verspreche ich, „Ich werde abends nicht zuhause sein. Ich feiere nämlich am Dienstag das Reformations- Fest mit vielen Leuten in der Kirche, toller Musik und Gästen von weit her aus Papua-Neuguinea und Südafrika.“ 

Reformationstag am 31. Oktober oder Reformationsfest, wie ich es lieber nenne. Für mich ein Fest, in dem ich den Ursprung meiner evangelischen Kirche feiere: Der katholische Mönch und Universitätsprofessor Martin Luther bezweckte mit seinen 95 Thesen zur Kirche nicht die Spaltung der Kirche. Aber ihre Reform war ihm ein Herzensanliegen, für das er ein Leben lang mit Worten kämpfte. 

Luther wollte, dass alle Menschen lesen und schreiben können. Dass sie die Bibel selbst lesen und sich eine eigene Meinung dazu bilden können. Dazu hat er die Bibel auf Deutsch übersetzt, wie einige andere schon vor ihm. Bei seiner Übersetzung hat er den Leuten „aufs Maul geschaut“, und überlegt: „Wie kann ich von Gott in der Bibel so erzählen, dass es alle verstehen?“ Damit hat er den Nerv der Zeit getroffen.

Absolut spitze finde ich Luthers Erkenntnis, dass jeder getaufte Mensch Gott gleich nah und lieb ist. Schon vor 500 Jahren ermöglichte Luther, dass nicht nur ordinierte Pfarrer und Pfarrerinnen predigen, sondern auch viele Menschen, die andere Berufe ausüben. Die Lektoren und Prädikantinnen, wie sie heißen, sind im Alltag Polizisten, Lektorin, Heilpraktikerin, Arzthelferin… Sie bringen ihre Lebenserfahrung in der Kirche ein. Und sind neben unseren Pfarrerinnen und Pfarrern ein Schatz unserer evangelischen Kirche.

Luther hat verstanden, die Kirche muss sich immer wieder weiterentwickeln. Sie muss mit den Menschen leben, für sie da sein und unbequeme Fragen stellen, wo es brennt. Auch heute noch erheben die Kirchen ihre Stimme für die Menschen, die leicht überhört werden. Ich denke dabei an die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe, die In-vitro-Fertilisation, den Umgang mit den Geflüchteten, um die Würde der Pflegebedürftigen, der Kinder und Jugendlichen. 

Daran arbeiten auch heute in meiner evangelischen Kirche weltweit viele Menschen voller Herzblut und diskutieren mit. Meine Evangelische Kirche muss sich ständig ändern. Ja so ist es, Gott sei Dank. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.

 

Von Dekanin Christiane Murner

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