Bis zur Brust steht Sam im Wasser. Seit über einer halben Stunde ist er hochkonzentriert und durch nichts abzulenken. Er ist auf der Pirsch nach Wasserläufern, die um unseren herum sausen und ihrem Namen alle Ehre machen. Sam ist voll bei der Sache und doch im „Urlaubsmodus“.
Auch bei mir kann jetzt der Urlaubsmodus einsetzen. Ich liege am Ufer des Baggersees und blinzle ins Blätterdach der Bäume über mir.
Weiden, Erlen, Ahorne und Eschen mache ich aus. Ihre Kronen wiegen sich im Wind und die Blätter zerlegen die Sommersonne in ein Strahlenbündel um einen gleißenden Lichtpunkt.
Eigentlich Idylle pur.
Und doch gehen mir Bilder und Schlagzeilen der letzten Monate und Wochen auch im Urlaub nicht aus dem Kopf: Krieg, Dürre und Nahrungsmittelknappheit.
Die Vorstellungen von „göttlichem Gericht“ und „Vergeltung“ waren lange Zeit nicht meine Lieblingsgedanken.
In den letzten Wochen und Monate habe ich mich immer wieder dabei ertappt, dass ich mir für manche Menschen und Konstellationen so ein göttliches Gericht gewünscht hätte.
Für wen oder was würden sich die Bäume über mir ein göttliches Gericht wünschen, wenn sie reden bzw. ich ihr Reden verstehen könnte.
Ich hoffe, sie geben mir in meine Urlaubslaune hinein Impulse mit für den Alltag, in den ich in einiger Zeit wieder zurückkehren werde: Nicht alles kann so bleiben, wie es ist.
Die Bäume über meinem Kopf und manch andere Geschöpfe haben vielleicht schon mehr Ahnung, was alles zurecht gerichtet werden sollte, als ich ihnen zutraue.
Ihr Pfarrer Michael Murner