„In den Abgrund sehen – den eigenen – den der Anderen – Alle Hoffnung verwüstet – das Vertrauen dürr – der Körper wund – fruchtlos alles Reden – Und doch fürchte ich die Finsternis nicht – DU warst schon da – DU wirst schon da sein – Amen“
Am Karfreitag stellen wir Christen uns das Leiden und das gewaltsame Sterben Jesu aus Nazareth jedes Jahr neu vor Augen und vor die Seele.
Darin verehren wir nicht die Gewalt. Wir verehren den, dessen Botschaft die Gewalt ad absurdum führen wollte.
Vielleicht hat sich in der Hinrichtung Jesu, des Propheten der Liebe zu Gott und zum Mitmenschen, durch die Soldaten des römischen Imperiums, die Gewalt ja tatsächlich ad absurdum geführt und ein für alle Mal als schreiendes Unrecht enttarnt.
Der Krieg, den der Präsident der Russischen Föderation, der Ukraine aufzwingt, ist ja nicht der erste und auch nicht der einzige derzeitige Krieg auf diesem Planeten.
Aber er hat diesen grässlichen Abgrund aufgerissen, vor dem wir in diesen Tagen stehen und in den wir hineinstarren.
Es herrscht in Europa eine weitreichende Einigkeit, dass den Menschen in der Ukraine in ihrer Selbstverteidigung in diesem Krieg alle humanitär, wirtschaftlich und militärisch notwendige Unterstützung zu leisten sei. Denn die Schrecken dieses Krieges sind furchtbar und obszön.
Wenn wir an Karfreitag an den gewaltsamen und unrechten Tod Jesu denken, müssen wir zum einen das Unrecht beklagen, das die Opfer des Krieges gegen die Ukraine erleiden, wie auch die Opfer all der Kriege, die dadurch aus den Augen verschwunden sind.
Zum anderen müssen wir im Geist und im Namen des Gewalt-Opfers Jesus aus Nazareth und aller seiner getöteten und verstümmelten Schwestern und Brüder um Frieden beten, z.B. mit Worten wie diesen von Friedrich Schorlemmer und dem Friedenskreis Wittenberg von 1983:
„Ich möchte ein Mensch des Friedens werden. – Ich möchte so leben, dass auch andere Menschen leben können – neben mir – fern von mir – nach mir. – Ich suche das Gespräch mit Andersdenkenden. Ich bedenke die Fragen, die sie mir stellen. – Ich möchte so leben, dass ich niemandem Angst mache. – Ich bitte darum, dass ich selber der Angst nicht unterliege. – Ich setze meine Fähigkeiten und Kräfte für eine Gesellschaft ein, in der der Mensch dem Menschen ein Helfer ist.“
Pfr. Michael Murner