Pfarrer Michael Murner, Foto: Amthor
Pfarrer Michael Murner, Foto: Amthor

Auf ein Wort: Gedanken zum Karfreitag 2025

Erstellt von mm/tur |

Gedanken von Pfarrer Michael Murner zum Karfreitag: "Wer ist von Gott verlassen"?

Gekreuzigt, gestorben, begraben, gottverlassen und vergessen? 

Am Karfreitag gedenken Christinnen und Christen des Todes Jesu. 

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ ist einer der in den Evangelien überlieferten Schreie des sterbenden Jesus. 

Jesus war damals nicht der einzige Mensch, der von anderen Menschen willentlich getötet worden ist. Vor ihm und nach ihm und in unserer Zeit und auch jetzt, wenn Sie das lesen, starben und sterben Menschen durch Menschenhand. 

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ 

Wer ist von Gott verlassen? Der Getötete oder der, der tötet? 

Jesu Tod hat seine Jünger verstört. Ebenso, wie das leere Grab sie zunächst mehr verwirrt als getröstet hat. 

Sie haben damals Antworten gesucht: Verraten, verspottet, gefoltert und schließlich am Kreuz hingerichtet. Die ersten Christen bekannten: Jesus ist für unsere Sünden gestorben. 

Alle menschlichen Antworten sind immer nur vorläufige Antworten, auch die theologischen auf die Frage „Warum Jesus sterben musste“. 

Wenn ich heute sage, dass Gott kein Opfer braucht zur Sühne für irgendwas, sondern dass er sich selbst in Jesus kompromisslos in die Nacht menschlichen Daseins hineinbegibt, um allen Leidenden nahe zu kommen, bleibt der Kern von Karfreitag anstößig und verstörend. 

Indem wir an den gewaltsamen Tod Jesu erinnern, müssen wir uns auch vergegenwärtigen, was bis heute erlebte und erlittene Realität ist: Menschen nehmen Menschen das Leben – immer wieder in zahllosen Zusammenhängen, mit und ohne Unrechtsgefühl, gezielt und mit Absicht. 

Solange Menschen das anderen Menschen antun, und solange sterbende Menschen schreien „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, solange müssen Christen Karfreitag begehen und um des getöteten Jesus willen auch an die zahllosen anderen Getöteten erinnern. 

Denn nicht sie, sondern wir sind sonst gottverlassen. 

Pfr. Michael Murner

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